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Brennende Leidenschaft

Die Früchte der eigenen Streuobstbäume haben es Ralf Wiedemann angetan.
Auf der Höri brennt er daraus ausgezeichnete Schnäpse. Darüber hinaus bringt er seine Leidenschaft und Kenntnisse in der Brennerei der Stadt ein. Denn Radolfzell ist eine der wenigen Städte Deutschlands, die noch ein Brennrecht hat. Und so durfte man sich zum Beispiel zum 750. Jubiläum der Stadt über einen feinen Jubiläumsbrand freuen. 

Container

Alles begann vor mehr zehn Jahren, als die Bäume von Ralf Wiedemanns Großeltern wieder sehr voll hingen. Mit der Pflege der Streuobstwiesen leisten er und sein Vater auch einen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft auf der Höri. „Doch es war einfach zu schade, die Äpfel, Birnen, Mirabellen und Zibarden an den Bäumen vergammeln zu lassen“, erzählt er. Also lernte er auf der Anlage seines Freundes, wo er heute noch privat brennt, wie man einen guten Schnaps macht und kniete sich richtig in das neue Hobby rein. Die Ausbeute ist nicht besonders groß, denn er spritzt die Bäume nicht. Außerdem hat er kein eigenes Brennrecht, ist als „Stoffbesitzer“ nur berechtigt, 50 Liter zu brennen. Das reicht ihm, um ein bisschen Schnaps beim Büllefest auf der Höri und auf den Abendmärkten in Radolfzell zu verkaufen.

„Ich will die Frucht so identisch wie möglich in die Flasche bringen“, war von Anfang an sein Vorhaben. Am wichtigsten ist für ihn vollreifes und gesundes Obst. „Was man nicht auf den Kuchen legen würde, taugt auch nicht zum Brennen“, sagt er. Wenn sich zum guten Obst noch eine saubere Vergärung gesellt, ist für ihn schon viel erreicht. „Das ist das A und O beim Brennen, neunzig Prozent der Qualität entstehen auf der Wiese.“ Sechs bis zehn Wochen
blubbert die Maische vor sich hin, bis der Fruchtzucker in Alkohol umgewandelt ist. Wenn die „Gärung durch ist“, beginnt er zeitnah mit dem Brennen. Ohne Zucker und Zusätze. Das eigentliche Brennen ist für Ralf Wiedemann die Krönung der Ernte und macht für ihn ein Stück weit die Faszination aus. „Wenn es dann im Brennraum so richtig nach Frucht riecht, ist das fast ein sinnliches Erlebnis“, schwärmt er. Dann sei auch die mühselige Knochenarbeit der Ernte fast vergessen. 

Wenn bei gut 70 Grad der Alkohol zu verdunsten beginnt, kommt die Destillation in Gang. Sobald die kondensierten Alkoholdämpfe in den Edelstahleimer tröpfeln, wird’s so richtig spannend. Fingerspitzengefühl und Erfahrung sind jetzt gefragt. Denn zuerst muss der „Vorlauf“ des Brandes, der giftiges Methanol und stechende Acetaldehyde enthält,
dann der „Nachlauf“ sauber vom Herz des Brandes getrennt werden. Seine Devise: „Lieber etwas mehr und auf Nummer Sicher gehen, um aromatischen hochprozentigen Alkohol zu erhalten.“ Flüssige Frucht sozusagen. Erst beim Abfüllen verdünnt er seine Brände mit kalkfreiem Wasser von der Höri auf Trinkstärke. Meist 40 Prozent. 

Hauptberuflich ist Ralf Wiedemann bei den Technischen Betrieben der Stadt Radolfzell Leiter der Abteilung Stadtreinigung, Fuhrpark und Instandhaltung. Seine Kenntnisse in der Schnapsherstellung setzt er mit zwei weiteren Arbeitskollegen, und unterstützt von zwei ehemaligen städtischen Mitarbeitern im Ruhestand, auch für die Stadt ein. Denn Radolfzell ist eine der wenigen Kommunen Deutschlands, die noch ein Brennrecht hat, und zwar für 300 Liter reinen Alkohol pro Jahr. Die Brennerei befindet sich im Ortsteil Stahringen. „Es wurde aber nie so viel gebrannt, die letzten zehn Jahre nur einmal pro Jahr, damit das Brennrecht nicht verfällt“, so Ralf Wiedemann. Zwischendurch auch eine Weile gar nicht, da die alte Brennerei aus den 60er Jahren defekt war und erst 2016 durch eine neu angeschaffte, gebrauchte Anlage ersetzt wurde. Das Brennen selbst werde streng überwacht vom Zoll, der selten einen Kontrollgang auslasse. Sieben Werktage vorher müsse das Brennen angemeldet werden. Lange Zeit gab es edelsten Apfel- und Mirabellenbrand aus städtischer Produktion, der unter dem Namen „Hannokengeist“ und „Kappedäschle-Wasser“ erfolgreich in der Tourist-Information verkauft wurde. 

Im Jubiläumsjahr 2017 wurde erstmals wieder mehr produziert, denn eigens zur 750-Jahr-Feier gab es einen Jubiläumsbrand – auf Wunsch von Oberbürgermeister Martin Staab einen „Radolfzeller Kirsch“ in Anlehnung an die Schwarzwälder Kirschtorte, die auf den Radolfzeller Konditormeister Josef Keller zurückgeht. Rund 1,8 Tonnen Kirschen aus Gengenbach, die geschmacklich ganz besonders sind und viel Süße haben, haben die städtischen Mitarbeiter dafür eingemaischt. Und auch mit speziellem stillen Wasser aus dem Schwarzwald wurde der Jubiläumsschnaps am Ende auf Trinkstärke von 40 Prozent „eingestellt“. Inzwischen sind neben dem „Radolfzeller Kirsch“ einige weitere Sorten in der Tourist-Information zum Verkauf erhältlich, beispielsweise der "grappoldus" Tresterbrand . 
 

Aus dem 'zeller Magazin 03/2017, Text und Fotos: Marina Kupferschmid