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"Ein Haus voll Glorie..."

Das Münster Unserer Lieben Frau mit seinem höchsten Kirchturm am See ist das Wahrzeichen Radolfzells und der Landschaft am Untersee. So wie es im bekannten Kirchenlied „Ein Haus voll Glorie schauet, weit über alle Land …“ anklingt, ist es ein doppeltes Wahrzeichen,
architektonisch und geistig.

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Wohl eine absolute Seltenheit ist es, dass eine Stadt noch das Grab ihres karolingischen Gründers, des hl. Radolts (gest. 847), aufweisen kann und dem sie auch seinen Namen verdankt. Ein Kupferstich aus dem barocken Wallfahrtsbuch von 1745 vermittelt anschaulich wegen welcher „Hailthumber“ das Münster gebaut wurde. Der Stich zeigt die „Gründungsszene“, Bischof Radolt von Verona kniet vor der Stadtsilhouette. Putti tragen den Schrein und die Zenobüste, die Reliquiare der Radolfzeller Schutzheiligen Theopont, Senesius und Zeno („Hausherren“) zu deren Ehren alljährlich am dritten Julisonntag das Hausherrenfest von Kirche und Stadt gemeinsam gefeiert wird. 

Der Grundstein zum heutigen spätgotischen Münster wurde 1436 gelegt, welches gegen 1488 im Rohbau fertiggestellt worden sein dürfte. An die erste Innenausstattung erinnert eine Wandmalerei (um 1490) im südlichen Seitenschiff mit einer Passionsszene, die in die Bodenseelandschaft hinein versetzt wurde. Teile des Chorgestühls und des Münsterschatzes sind hingegen älter und zählen zu den wertvollen Kunstwerken im Bodenseeraum, darunter das kleine Bursa-Reliquiar oder das mit einer Faltkuppel ausgestattete Dreiturm-Reliquiar aus der Zeit um 1300. Ausdruck gelebten Glaubens sind neben dem zentralen Hausherrenschrein (15./16. Jh.) aber auch die erhaltenen Altäre späterer Epochen, so der in der bitteren Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1632) entstandene Marienaltar aus der Werkstätte Zürn und der Rokokoaltar zu Ehren der heiligen Hausherren (1753), an dem Baumeister Johann Caspar Bagnato und Maler Joseph Spiegler zusammenwirkten. Die Hausherren werden hier wie die Heiligen Drei Könige inszeniert. Besonders eindrücklich wird diese Parallele mit der Suche nach dem Sinn des Lebens in der Weihnachtszeit, wenn die hundertjährige Krippe davor aufgebaut wird. 

Im Chor scheint der neogotische Hochaltar (J. Eberle, Überlingen 1897) zum Himmel zu streben. Die durchaus qualitätsvollen Schnitzarbeiten beziehen sich auf das Marienpatrozinium der Münsterkirche. Kunstvollen Epitaphen zieren die Seitenschiffe und in zwei Nischen sind neben der Zeno-Büste (15. Jh.) auch alte Prozessionsfiguren und eine Pieta – wohl aus dem Kapuzinerkloster – zu entdecken.

Aus „ewigem Stein erbauet …“ ist das Münster zwar nicht, aber dennoch lohnt sich die Begegnung mit den Spuren der Vergangenheit, gerade in der Advents- und Weihnachtszeit. 

 

'zeller Magazin 06/2018, Text: Christof Stadler, Fotos: Guido Moriell
Radolfzeller Münster
Radolfzeller Münster von Innen
Radolfzeller Münster von außen