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Vom Glück an der Angel

Sich erholen, komplett vom Alltag abschalten und neue Energie für den Alltag sammeln – kaum ein Hobby bietet so viel Spannung und Entspannung inmitten unverfälschter Natur wie das Angeln. Am Untersee als fischreichstem Teil des Bodensees und von herrlicher Landschaft umgeben, findet man dafür beste Voraussetzungen. Ein Besuch beim Angelsportverein Frühauf in Radolfzell am Bodensee.

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Das idyllisch direkt am Ufer gelegene Anglerheim „In den Herzen“ mit verpachteter, ganzjähriger und öffentlicher Gastwirtschaft ist ein geschätzter Geheimtipp für Fischgenießer. Alles, was dort frisch auf den Tisch kommt, stammt jedoch nicht aus den Fängen der dort beheimateten Angelsportler, sondern aus den Netzen der Berufsfischer. „Was wir Hobbyfischer fangen, darf nur für den Eigenverbrauch verwendet werden. Das gewerbsmäßige Angeln verbietet die Untersee-Fischereiordnung“, erklärt der Vorsitzende
Christian Schellhammer.


Die meisten der Mitglieder in diesem über 100 Jahre alten Verein haben Großväter und Väter, für die der Fischfang noch überlebenswichtig war und die ihnen von Kindesbeinen an das Fischen beigebracht haben. Für die jetzige Generation hat das Fischen nicht mehr diese Bedeutung, das Angeln wird aber weiterhin mit großer Leidenschaft und Verantwortung für die Natur betrieben. Die Mitglieder des Angelsportvereins verstehen sich auch als Waidmänner des Wassers. Mit drei eigenen Reisern im Untersee leisten sie einen großen Beitrag zur Hege und Pflege der Fische. Reiser sind große quadratische Holzverbauungen aus 50 bis 55  Baumstangen, die mit Baumkronen gefüllt in rund zehn Meter Tiefe am Grund des Sees verankert werden. Sie bieten den kleineren Fischen Schutz vor den räuberischen großen Hechten. Vor allem aber werden sie als Laichplätze für Kretzer (Barsch) und verschiedene
Weißfischarten angenommen. 

Viele der Radolfzeller Petrijünger sind von ihrem Naturell her ausgeprägte Individualisten, die am liebsten mit Boot und Angel aufs Wasser rudern, um die Stille und Schönheit des Sees zu genießen und dabei mit etwas Glück auch einen Fisch an den Haken zu bekommen. Trophäen-Angeln ist nicht das eigentliche Ziel. Sollte  jedoch einmal ein Prachtexemplar an den Haken gehen, so wird gelegentlich der Kopf einem Präparator zugeführt. Zu sehen sind einige dieser Präparate an den Wänden in der Vereinsgaststätte. „Natürlich ist bei jedem der Ehrgeiz da, einen tollen Fang zu machen. Aber was wir fangen, das essen wir auch“, unterstreicht Ehrenmitglied Werner Scheu. Ihn reizt beim Angeln neben dem Naturerlebnis auch der sportliche Aspekt, denn er ist vorzugsweise mit Ruderboot und Schleppangel unterwegs. „Dass man die Natur genießen und etwas Feines für die Pfanne mit nach Hause nehmen kann“, begeistert Bernd Sing am Angeln. „Was wir hier fangen, kommt aus keiner Zucht, sondern ist naturbelassen und von einer Ökoqualität, wie man sie nirgendwo sonst findet“, betont er. Die Wasserqualität des Bodensees, dem das Trinkwasser für weite Teile Baden-Württembergs entnommen wird, ist bekanntlich so gut, dass der Nährstoffmangel der Fischpopulation seit geraumer Zeit zu schaffen macht. Christian Schellhammer möchte das
Angeln ebenfalls nicht missen. „Früh morgens den See für sich allein zu haben, um halb sechs den Sonnenaufgang über der Reichenau zu erleben – das sind einfach tolle Bilder“, schwärmt er. Besonders reize ihn die Entschleunigung in Verbindung mit Spannung. „Wenn dann der Biss kommt, per Zufall beispielsweise von einer selten vorkommenden Seeforelle, einem Zander oder sogar einem Wels, obwohl man eigentlich auf Hecht, Barsch oder Felchen fischt, dann ist die Überraschung perfekt!“


Rund 32 Fischarten finden sich im Untersee, der bedingt durch seine Gewässerstruktur mit weitläufigen Flachwasserzonen und Schilfbeständen fischreicher ist als der Obersee. So ist er beispielsweise Lebensraum von Felchen, Hecht, Zander, Aal, Seeforelle, Karpfen und Flussbarsch, der im deutschen Raum Kretzer und auf Schweizer Seite Egli genannt wird. Zunehmend tritt zur Freude aller wieder der Wels auf, der einst heimisch im Untersee, aber lange ausgestorben war. Vor vielen Jahren wurden wieder Welse eingesetzt, die sich dann selbst vermehrten. So war es ein absolutes Highlight, als Bernd Sing 2009 vor der Liebesinsel ein 1,73 Meter großes Exemplar an die Schleppangel ging. Eine Stunde lang ließ er den Angler schwitzen, bis er ins Boot gehievt war.

Der Angelsportverein Frühauf Radolfzell betreibt nicht nur intensive Jugendarbeit, er ist auch Lehrgangs- und Prüfungsort des Landesfischerei-Verbandes Baden-Württemberg für den erforderlichen Fischereischein. Gut 50 Aspiranten bereiten Werner Scheu und Uwe Gessendorfer alljährlich auf die staatliche Fischerprüfung vor. Der Fischereischein allein berechtigt jedoch nicht zum Angeln. Dazu ist zusätzlich die Erlaubnis des Fischereirechtsinhabers oder seines Pächters erforderlich. 

 

Aus dem 'zeller Magazin 01/2020, Text Marina Kupferschmied
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