Buchen

Die große Piepshow beginnt

Es ist Jahr für Jahr ein Glücksmoment – der Beginn des Vogelgesangs im Frühling.
März und April sind am Bodensee gleich aus mehreren Gründen gute Monate für
Vogelbeobachtung und für den Genuss ihres Gesangs.xt

Container

Die letzten Wintergäste, meist Enten und Säger aus Skandinavien und Sibirien, können wir jetzt noch auf dem See entdecken. In der Frühlingssonne leuchten sie besonders schön. Haubentaucher zeigen ihren Balztanz.

Dort wo es Kiesbänke oder Schlickflächen gibt, an den Ufern der Mettnau, an der Strandpromenade oder Richtung Moos können wir jetzt Watvögel bei der Nahrungssuche beobachten, Vögel auf Stelzen, die man sonst eher am Meer oder auf den Wiesen Norddeutschlands erwartet: zum Beispiel Kampfläufer und Flussuferläufer,
Kiebitz und Bekassine, ab und zu auch mal einen Großen Brachvogel.

Unsere heimischen Kleinvögel wie Rotkehlchen, Zaunkönig oder Amsel beginnen jetzt einer nach dem anderen zu singen – und sie zeigen sich, ja: sie posieren (!) auffälliger als in anderen Monaten. Wir können sie auch deshalb besser beobachten als sonst, weil
die Bäume noch keine Blätter haben.

Einer nach dem anderen kehren auch die Zugvögel zurück – und beginnen gleich zu singen. Zuerst, schon früh im Jahr, Singdrossel, Zilpzalp und Hausrotschwanz, später, bis Mitte/Ende April, hören wir auch Kuckuck und Nachtigall.

Die Singdrossel in den Laubwäldern rund um Radolfzell ist ein Sänger der Morgendämmerung. Erkennungsmerkmal: Ihre kurzen, exotisch klingenden, lauten Motive wiederholt sie meistens drei Mal. Der ebenfalls häufige Zilzalp ruft seinen Namen und singt bis Mai den ganzen Tag. Er ist am Waldrand und auch auf den Friedhöfen Radolfzells zu hören. Der Hausrotschwanz, ursprünglich ein Gebirgsvogel, wählt unsere Dächer als Felsenersatz. Seine kurze, absteigende Singstrophe beginnt meist mit einem Krächzen. Zum schönsten, was der Vogelgesang in Mitteleuropa zu bieten hat, gehört die lange, melodische Strophe der Mönchsgrasmücke. Sie brütet in dichtem Gebüsch und singt auch von dort heraus. Auch im Siedlungsgebiet von Radolfzell und den Ortsteilen ist sie mittlerweile allgegenwärtig.

Früh im März gibt es auch Vögel zu entdecken, die nicht so bekannt sind: Im Radolfzeller Stadtwald beim Altbohl hört man in den Gipfeln der Laubbäume vor allem morgens einen Vogel, dessen Gesang der unserer Amsel ähnelt. Nur ist die Strophe etwas kürzer und noch melancholischer: Die Misteldrossel singt. 

Bald beginnt auch der schöne Buchfink, der häufigste Vogel Baden-Württembergs, mit seinem auffälligen Gesang. Er singt ebenfalls im Laubwald, aber auch in den Radolfzeller Parks, in Streuobstwiesen oder in Hausgärten mit hohen Bäumen. Die Eselbrücke, mit der wir uns den Gesang des Buchfinks merken können, lautet: „Bin ich nicht ein schmucker Reiteroffizier!“

Wenn wir noch eine Weile warten, bis Ende April, erleben wir Radolfzell als Nachtigallen-Paradies. Der geschätzte Sänger findet rund um unsere Stadt genau das, was er braucht: Oben viel mittelhohes, dichtes Gebüsch, unten feuchten oder gar nassen Boden. Sie singt zwar auch tagsüber, aber sie ist so ziemlich der einzige Vogel, der von Ende April bis Ende Mai jede Nacht singt. Und der variantenreiche Gesang mit vielen geradezu tropisch klingenden Motiven ist unverkennbar. Am Mindelsee, auf der Mettnau oder im Aachried zwischen Böhringen und Moos wird man meist fündig.

Bleibt noch die Frage zu klären, warum Vögel singen: Der Frühjahrsgesang dient vor allem der Reviermarkierung und der Partnersuche. Vögel singen aber auch, um ihre Partnerschaft und den Familienkontakt zu festigen. Es gibt Zeitgenossen, die glauben, dass Vögel auch singen, weil es ihnen Freude bereitet. Wenn wir zuschauen, wie engagiert und konzentriert viele Vögel, selbst die kleinsten, beim Gesang sind, wird schnell klar, dass da was dran sein könnte.

 

Text: Thomas Giesinger
Aus dem 'zeller Magazin 02/2018.